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² ''hamerig heißt ‚mager, schwach, elend von Menschen’ (Südhessisches Wörterbuch Bd. 3, 74).''
² ''hamerig heißt ‚mager, schwach, elend von Menschen’ (Südhessisches Wörterbuch Bd. 3, 74).''
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    <div role="tabpanel" class="tab-pane" id="Quellen">{{ONN Quellen}}
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    <div role="tabpanel" class="tab-pane" id="Verschriftlichung">''' Zur Verschriftlichung der mundartlichen Aussprache der ONN '''
Die Ortsnecknamen präsentieren wir hier neben einer standardnahen Form ''(Spottname)'' auch in transliterierter Form ''(Transliteration)'', das heißt mit einer lautnahen literarischen Umschrift, die mit den Buchstaben unseres (lateinischen) Alphabets auskommt.
Doppelvokale bezeichnen lange Selbstlaute (z.B. ''Goondsər'' = Ganser), kurze Selbstlaute sind unmarkiert, aber durch nachfolgende Doppelkonsonanz (z. B. ''Laggələs'schaißər'' = Leckerleinscheißer) oder Mehrfachkonsonanz (z. B. ''Hudsl'sägg'' = Hutzelsäcke) erkennbar.
Als '''Sonderzeichen''' wurden ''ə'' , ''å'' und ''ŋ'' verwendet:
* Das Zeichen ''ə'' steht für einen unbetonten ''e''-Laut (Schwa-Laut, Murmellaut), wie z. B. in ''Graggə'' = Kraken oder ''Linsə'schbiddsər'' = Linsenspitzer.
* Das Zeichen ''å'' verschriftet einen ''a''-Laut, der schon deutlich Richtung ''o'' geht, z. B. ''Bållə'bååch'' = Bollebach, ''Bååch'sächər'' = Bachseicher.
* Das Zeichen ''ŋ'' steht für den velaren Nasallaut, wie er im Standarddeutschen in der Buchstabenkombination <ng> (z.B. ''Gesang'', ''bringen'') gesprochen wird, z. B. ''Hää'schnågŋ'' = Heuschnaken, ''Mässä'gliŋä'' = Messerklingen.
Mit dem Doppellaut ''äi'' verschrifteten wir Belege, die mundartlich mit [ei] (wie in engl. ''hey'', ''grey'') gesprochen werden, z. B. ''Gäigər'' = Göker.
Für den wie in der Hochsprache gesprochenen Doppellaut [ai] (geschrieben ''ei'', wie in Kleid) verwendeten wir die Lautfolge ''ai'', z. B. ''Schwaidsər'' = Schweizer.
Um die Lesbarkeit zu erleichtern, haben wir bei Komposita (Wortzusammensetzungen) ein Apostroph an den Wortgrenzen eingefügt, z. B. ''Roosə'grands'schaißər'' = Rosenkranzscheißer.
Bei syntagmatischen Bildungen wie Sprüchen oder Reimen sind die Wörter – wie im Standard – durch Spatien (Leerstellen) voneinander abgetrennt, z. B. ''Fooər heŋd dər Bardl'soog am Door'' = Fahr hängt der Bettelsack am Tor.
Die SUF-Belege ( = ONN aus den Dialekterhebungen für den Sprachatlas von Unterfranken) aus der Ortsnecknamen-Datenbank werden zusätzlich in Teuthonista-Lautschrift dargestellt.

Aktuelle Version vom 18. Dezember 2025, 19:14 Uhr

Zur Inhaltsseite der Ortsnecknamen¹

Der Grund für die Ortsnecknamen liegt – wie oben gezeigt – oft im Dunkeln. Aber, es lohnt sich, die Ortsnecknamen selbst zu betrachten und zu fragen „Welches Bild haben die Unterfranken von sich und von den Nachbarorten, wenn sie sich und andere verspotten?“ Die Ortsnecknamen können elf Bildbereichen (= Inhaltsseiten) zugeordnet werden. Sie sind in folgender Tabelle mit je zwei Beispielen gelistet.


Bildbereich Beispiel
Handlung Bachbrunzer, Boxer
Tier Eulen, Bock
Produkt Hobel, Öltiegel
Zugehörigkeit/Herkunft Warmländer, Städter
Körperteil Kuhhörner, Kröpfe
Essen Bachklöße, Heideklöße
Mensch Bachdeppen, Bettelvolk
Pflanze Eichen, Zwiebelschlutten
Eigenschaft Halbfeine, Hamerige
Wesen und Gestalten Muttergotteslein, Kirrteufel
Sonstiges Achtelein, Sechser


Am häufigsten werden den Nachbarn bestimmte Handlungen zugewiesen. Die Handlungen, die benannt werden, sind in der Regel anstößig oder unsinnig. Zu den anstößigen Handlungen gehören Necknamen, die das Ausscheiden von Kot oder Urin thematisieren. Knapp ein Drittel der Necknamen, die eine Handlung benennen, spotten mit der Notdurft. Benannt wird, wo oder wohin man sich entleert (z. B. Euerdorfer Bachbrunzer, Leubacher Stallscheißer, Königshofer Pflasterscheißer), was man ausscheidet (z. B. Forster Kirschkernscheißer, Partensteiner Stöckescheißer, Neuseser Buttermilchseicher) und wie man das tut (u.a. Egenhauser, Thüngersheimer, Wernecker Hochseicher). Unsinnige Handlungen thematisieren Necknamen wie Haferspitzer (Gresshausen) oder Linsenspitzer (u.a. Erlenbach, Feuerthal, Lengfurt, Strahlungen, Zeubelried). Es ist sinnlos, etwas ohnehin schon Spitzes wie Hafer oder Linsen anzuspitzen.

Viele Necknamen beziehen sich auf Tiere, z.B. auf Vögel (u.a. Fuchsstadter oder Vasbühler Eulen, Heustreuer Distelfinken), Säugetiere (z. B. Dittelbrunner, Gochsheimer, Retzstadter, Schonderfelder Böck, Hambacher Geißen, Alslebener Katzen) oder Insekten (z. B. Rückersbacher Flöhe, Schimborner Wanzen). Besonders viele Orte werden mit Hase- und Krake-Necknamen (Krake ist die ‚Krähe’) verspottet.

An dritter Stelle stehen die Necknamen, die auf Ergebnissen menschlicher Arbeit (= Produkten) basieren. Es handelt sich um Werkzeuge wie Hobel (Elfershausen, Oberthulba) oder Messerklingen (Mömlingen), Hausrat wie Öltiegel (Wiesthal), Ölkrügchen (Dörnsteinbach), Mattesäcke (Schafhausen), Tragegeräte wie Beerenkötze (Rechtenbach b. Lohr) oder Käsekübel (Hilpertshausen), Schriftstücke wie Gesetzbücher (Mönchberg) oder Siebenlister (Eibelstadt). Reihenbildend sind Necknamen mit Sack als Basiswort, z.B. Zementsäcke (Karlstadt), Hutzelsäcke (Aub b. Bad Königshofen), Hefesäcke (Sömmersdorf), Heidesäcke (Karsbach), Kornsäcke (Marktbreit), Mattesäcke (Schafhausen), Mohnsäcke (Schnackenwerth) usw.

Annähernd gleich häufig werden die Nachbarn einer bestimmten Gegend (= Zugehörigkeit/Herkunft) (Würzburger Warmländer, Hessenthaler Hutzelgründer), einem bestimmten Ort (Würzburger Städter, Neubrunner Ulmer, Ruppershüttener Römer), einem bestimmten Land (Gaubüttelbrunner, Hausener, Ilmspaner Türken, Steinfelder, Uengershausener Russen) zugeordnet oder mit einem Körperteil benannt. Seltener sind es Körperteile von Tieren wie z.B. Reither Kuhhörner, Schafheimer Kalbköpfe, Siegendorfer Katzenköpfe, Dornheimer Schafbeine. Alle anderen beziehen sich auf Körperteile von Menschen. Diese Körperteile sind entweder entstellend - Kröpfe ist der Neckname für die Bewohner von mehreren Ortschaften (u.a. Erlabrunn, Iphofen, Prappach, Salz, Trappstadt) -, anstößig wie Spitz- oder Lahmärsche (Hafenlohr, Steinbach), sonst irgendwie seltsam wie Blaubäuche (Langenleiten, Untereisenheim, Unterweißenbrunn) oder nehmen Bezug auf den Kopf der Nachbarn, z.B. Ährleinsköpfe (Brebersdorf), Dickköpfe (Roden), Klößköpfe (Wombach) oder Wurzelköpfe (Röllbach). Reihenbildend sind auch Necknamen, die mit Essen in Verbindung stehen, häufig mit Kloß, z.B. Bachklöße (Burglauer), Hefeklöße (Großwallstadt), Heideklöße (Habichsthal) usw.

Die Nachbarn werden mit dem Necknamen einem bestimmten Typ von Menschen zugeordnet. Diese Menschen sind oft als dumm, arm oder kriminell stigmatisiert, wie Bachdeppen (Marktbreit), Bettelvolk (Kirchlauter) und Zigeuner (Grünmorsbach, Nordheim, Röthlein, Rüdenschwinden, Stockstadt). Einige Necknamen stellen einen Bezug zu Pflanzen, Pflanzenteilen oder Früchten her. Beispiele sind Eichen (Lichtenau), Zwiebelschlotten (Zellingen), Birnen (Röthlein). Der Neckname weist den Nachbarn bestimmte Eigenschaften zu (z.B. Kirchheimer Halbfeine oder Kleinheubacher Hamerige²) oder bezieht sich auf magische Wesen und Gestalten wie Oberleichtersbacher Kirrteufel oder Boxbrunner Heuboz. Unter Sonstiges fallen Necknamen, die keiner der hier genannten Kategorien zugeordnet werden konnten, wie z.B. Lendershausener Achtelein, die einer Kategorie „Maßeinheiten“ oder Sulzfelder Sechser, die einer Kategorie „Währung“ zugeordnet werden könnten.


¹ Die Erläuterungen stammen von Almut König und sind etwas gekürzt entnommen aus Fritz-Scheuplein, Monika/König, Almut/Krämer-Neubert, Sabine/Wolf, Norbert Richard (Hgg.) (2012): Dreidörfer Narrn stehn auf drei Sparrn. Ortsnecknamen in Unterfranken. Würzburg, S. 10f.).

² hamerig heißt ‚mager, schwach, elend von Menschen’ (Südhessisches Wörterbuch Bd. 3, 74).